Vefa Bozacısı

Milliyet Zeitung – VEFA BOZACISI WIRD ZUM MUSEUM

Der neue Eigentümer des 137 Jahre alten Vefa Bozacisi, Mehmet Sadik Vefa, führt das traditionelle Familienunternehmen in vierter Generation, mit großem Verantwortungsbewusstsein. Vefa sagt hierzu, „Hunderttausende von Menschen sind diese Marmorstufen hinaufgegangen. Vielleicht wird irgendwann der Tag kommen, an dem wir aus diesem Geschäft ein Museum machen. Wir planen die historischen Gegenstände in einem Museum auszustellen und ein Buch herauszugeben.”

Es wird berichtet, dass sich zu einer bestimmten Zeit in Istanbul 200 Boza Hersteller befanden, stimmt das?
Ja, das stimmt. Man sagt, dass dies am Ende des 19. Jahrhunderts war. Damals spielte sich das Stadtleben in Istanbul, größten Teils auf der historischen Halbinsel ab. Somit sollte fast jede Straße, seinen eigenen Boza Hersteller gehabt haben. Mein Urgroßvater Haci Sadik Bey kam 1870, aus der Gebirgsstadt Prizren in Albanien, nach Istanbul. Er stellte, 6 Jahre lang, im Keller seines Hauses, jeden Morgen Boza her, und verkaufte es abends, in Straßen um den Palast und dessen Umgebung.

Es gab fast in jeder Straße Istanbuls einen Boza Hersteller, wie schaffte es Haci Sadik Bey sich von dieser Konkurrenz abzusetzen?
Er beobachtete, dass Boza sehr sauer und recht dünnflüssig angeboten wurde. So wurde es auch in Albanien hergestellt. In Bulgarien zum Beispiel, wird es immer noch sehr sauer und in dunkler Farbe getrunken. Haci Sadik Bey stellte eine dickflüssige und Kosten aufwendige Variation her. Er benutzte statt Mais, Hirse. Es ist einfacher Mais zu verarbeiten, aber Hirse ist schmackhafter. Der einzigartige Geschmack des Vefa Bozacisi liegt genau hierin begründet. Frisch angesetzter Boza schmeckt süßer. Ich persönlich finde diese Idee, für seine Zeit einfach genial. Er stellte ein, in der Konsistenz, dem Geschmack und in der Farbe, völlig verschiedenes Produkt her, was viel Kosten aufwendiger und schwieriger herzustellen war.

Wie stellte er, das alte Getränk mit neuem Geschmack den Verbrauchern vor?
Er verkaufte das Boza von 1870-1876 selbst, indem er jeden Abend seine Boza-Kannen auf seinen Schultern durch die Straßen trug. In diesen Straßen warteten zunächst 3 Kunden, aus 3 wurden 5 usw. 1876 muss er so ermutigt gewesen sein, dass er nahe dem, mit seinen Musical-Theatern berühmten, populären Stadtviertel Sehzadepasa, dass in dem Fastenmonat Ramadan, ebenso reich besucht war, ein Geschäft eröffnete.

Wie kam es dazu, dass Sie in vierter Generation das Familiengeschäft übernommen haben? Hatten Sie jemals einen anderen Berufswunsch?
Als erstes und vor Allem, gab mein Großvater mir den Namen seines Vaters, somit haben Sie mir wohl von Anfang an die Verantwortung übertragen. Ich habe die Vefa Oberstufe besucht. Danach habe ich in Deutschland eine Ausbildung in der Tourismus und Hoteliers-Branche gemacht. Ich sollte in einem großen Hotel in Frankfurt als Hotel-Direktor anfangen. Ich war an einem guten Punkt, in meiner Karriere angekommen. Meine Großmutter wollte aber unbedingt, dass ich das Familienunternehmen übernehme. Sie sagte; “Es wird schade sein, um all unsere Arbeit.” Und ich antwortete ihr, “Ich bleibe.” Sie war so glücklich.

Haben Sie Geschwister?
Ich habe das Familienunternehmen von der dritten Generation übernommen. Ich habe eine Schwester und einen Cousin. Mit meinem Cousin arbeite ich zusammen. Er ist bereits Opa, ich habe noch nicht einmal Kinder.

Denken Sie darüber nach eine zweite Filiale zu eröffnen?
Ich würde schon gerne, aber unser Hauptgeschäft läuft nur innerhalb von 5 Monaten ab. Das engt uns stark ein. Damit das Geschäft offen bleibt, stellen wir Traubenmost her. Das hat unser Großvater schon so gemacht. Dann fing er an aus dem Traubenmost Essig herzustellen. So fing es mit dem Essig-Geschäft an. Im Sommer bieten wir nebenbei noch Limonade und Eiskrem an. Ich habe mal nach einem Geschäft auf der berühmten Einkaufsmeile Bagdad-Straße gefragt. Sie verlangten eine Ladenmiete von 49 Tausend Euro. Mit Boza kann man eine solche Summe nicht erwirtschaften. Solche Ladenmieten können wir uns nicht leisten.

Hat die Technologie den Geschmack beeinflusst?
Der Boza Geschmack aus der Flasche und der aus dem Laden unterscheiden sich. Der Herstellungsprozess ist gleich, aber im Boza in der Flasche befindet sich keine Hefe, im Boza im Laden schon. Wenn sie Hefe zufügen, verringert sich die Haltbarkeitsdauer von Boza auf 3 Tage. Im Geschmack äußert sich dies, in einer feinen Note. Es sollte auch ein Privileg sein, in einem solch historischen Geschäft, Boza zu trinken. Aber Istanbul ist so gewachsen. So viele unserer Kunden können uns nicht mehr in unserem Geschäft besuchen, somit bieten wir für diese Kundschaft unsere Produkte in Supermärkten und an Ständen in Konditoreien an. Da keine Hefe zugesetzt wird, verlängert sich die Haltbarkeitsdauer auf 15 Tage.

An wie vielen Verkaufspunkten wird Vefa Boza zum Verkauf angeboten?
In der Türkei befinden wir uns an 2600 Verkaufspunkten. 2014 planen wir durch technische Innovationen in 40 Städten vertreten zu sein. Wir haben ein Team von 100 Mitarbeitern. Wir wachsen auf den ersten Blick vielleicht sehr langsam, aber wir gehen kein Risiko ein.

Sie haben es geschafft, das Geschäft im Original zu erhalten…
Hunderttausende von Menschen sind durch diese Tür gegangen. Wir erneuern nicht. Bis wann können wir dies vermeiden? Vielleicht kommt der Tag, an dem wir aus diesem Geschäft ein Museum machen. Unser erster Plan ist es nebenan ein Museum zu eröffnen. Wir sind in Besitz von großen und kleinen Gläsern aus Frankreich, Gläsern auf denen Motive von alten, bärtigen Männern abgebildet sind, Schnabelgläsern und vielen anderen historischen Objekten. Wir möchten diese Objekte in einem Museum ausstellen und später auch ein Buch veröffentlichen.

Was blieb außerdem in diesem Geschäft unverändert?
Was wir gar nicht verändert haben sind unsere Prinzipien. Die Feiertage haben sich in Urlaubstage gewandelt, aber ich bin trotzdem immer hier. Den ersten Feiertag begehen wir immer mit unseren Mitarbeitern. Am Ramadan Fest verteilen wir unsere Taschentücher, am Opferfest unser Fleisch. Ein; “An diesem Feiertag bin ich nicht da”, gibt es nicht.

Was ist mit all den verloren gegangenen Schönheiten von Istanbul?
Als ich klein war, erstreckten sich in allen Straßen, bis zur Süleymaniye Moschee, prächtige Stadthäuser. Alle in einer anderen Architektur und Schönheit. Mit einem Eingang, mit zwei Eingängen; alle verschieden. Später wurden einige als Ledigen- Zimmer genutzt. Die Mieter haben alle Holzbauten abgerissen und in den Öfen verheizt. Es gibt nun Versuche den hinteren Teil der IMC zu retten. Es tut mir in der Seele weh. Dies ist unser Erbe. So wie wir, unseren Vorfahren mit Dankbarkeit gedenken, sollten wir auch ihr Erbe schützen. Die ganze Umgebung sollte einer Sanierung unterzogen werden.

DIE KUNSTVOLL GESTALTETE GLASFLASCHE KANN BALD DER GESCHICHTE ANGEHÖREN
“Unsere Boza Flaschen sind wichtig und eigen. Noch können wir sie herstellen lassen. Aber es ist eine Frage wie lange wir das noch können. Dies ist eine sehr kostenaufwendige Angelegenheit. Sie werden immer noch per Hand hergestellt. Für die serienmäßige Herstellung wollten sie nur für die Formherstellung 160 Tausend TL haben. Vielleicht müssen wir nach einiger Zeit Unterstützung anfordern.”

WARUM KAM ATATÜRK IN IHR GESCHÄFT?
“Es ist wohl bekannt, dass Mustafa Kemals Boza Glas sich hier befindet. Es gibt einen Grund dafür, dass Atatürk in unser Geschäft kam. Als er in Istanbul war, ging mein Großvater ihn jeden Samstag im Dolmabahce Palast besuchen. Er erzählte dies noch nicht einmal seinen Söhnen. Mein Großvater absolvierte ein Theologie und Literatur Studium. Er wurde mit 35 Jahren Hadschi (der Besuch von Mekka). Er kommentierte den Koran. Ich habe meinen Großvater nie ohne Krawatte und Hut gesehen. Als Atatürk von seiner Inspektionsreise des Korps in Corlu zurückkam, machte er an unserem Geschäft halt. Dies war so zusagen, ein Gegenbesuch. Dieses Glas ist der einzige Gegenstand Atatürks außerhalb von einem Museum.”

GESUNDHEITSDEPOT
“In unserem Boza befindet sich kein Fett. Wir empfehlen es im Kampf gegen Übergewicht. Ein Glas Boza mit gerösteten Kichererbsen halt ausgesprochen satt. Es enthält keine Zusatzmittel. Es ist absolut natürlich. Boza wird aus Hirsegrieß, Zucker und Wasser hergestellt. Wir geben ca. 20% Zucker zu, nach dem ansetzen mit Hefe, reduziert sich der Zuckergehalt auf 12%. Die enthaltene Milchsäure ist gut für den Verdauungstrakt. Nach den Untersuchungen der TÜBITAK (Türkische Institution für Wissenschaft und Technik) ist Boza effektiver bei Cholera, als Essig. Schwangere Frauen bevorzugen Boza, auf Grund seiner milchfördernden Eigenschaft.”

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